Zum dritten Male nahm Nicolas Wagener an der Deutschen Einzelmeisterschaft teil, die vom 18.5.-26.5.2023 in Willingen stattfiand. Er startet in der Altersklasse U12. Coach Jürgen Wortmann berichtet im nachstehenden Tagebuch über "unseren" Limburgerhofer Kandidaten.
Link zur Webseite der Deutschen Schachjugend: DEM 2024 U12 (externer Link).
Und hier geht es zum Spielerprofil von Nicolas (externer Link).
Nicolas Wagener auf der DEM 2024
Bericht von Jürgen Wotmann
Der Plan war pünktlich um 11:00h in Limburgerhof zu starten. Leider zeigte just zu diesem Zeitpunkt unser BMW i3 erstmalig seit 7 Jahren Probleme auf. Beim Start des Navis stürzte der Auto-Controller (Multimedia, Navi u.a.) mehrfach ab. Bei einem Absturz wurden sämtliche Daten gelöscht. Keine Musik mehr, keine geplante Routen , alles weg. Aber was muss, das muss, und so machten wir uns geführt von einem Handynavi auf den Weg. Die Autobahnen waren brechend voll und die Fahrt war bestenfalls als stockend zu bezeichnen. Hinter Frankfurt besserte sich der Verkehr, allerdings zogen Starkregenfälle auf. Wenigsten das Laden in Linden bei Gießen klappte problemlos, allerdings strömte der Regen. Auch stürzte der Auto-Controller nicht mehr ab und wir konnten das BMW-Navi für die zweite Reisehälfte nutzen.
Nach 4 ¾ Stunden gelang es uns Willingen zu erreichen. Zuerst in meine Unterkunft – überraschend weit weg vom Spielort. Dann zur RLP-Mannschaftsbesprechung und der Begrüssung alter Bekannte. Bedenkenswert war die Info von anderen Landesverbänden, dass Unterbringung „weit weg“ von Mitreisenden (wie mich) mal angedacht gewesen sei, letztlich aber alle, die wollten, im Stern-Hotel unterkamen. RLP macht es offensichtlich besonders gründlich und Mitreisenden-feindlich. In der Vorbereitung wurden gleich die Nachteile der Unterkunft bemerkbar. Wichtige Informationen zur Vorbereitung von Nicolas mussten umständlich per SMS kommuniziert werden.
Wetter
Na was glaubt ihr denn? Am Morgen kämpfte ich mich gekühlt durch 14°C temperierten Wind und triefenden Regen zur Wettkampfstätte. Gen Nachmittag endete die Dusche, es hellte auf und wurde auch etwas wärmer.
Runde 4
In Runde 4 spielte Nicolas gegen Erik Heitmann. Erik hat eine DWZ von 1569 und war 42ter. Nicolas stand auf dem 36.ten Platz und war leichter Favorit.
Erik beantwortete Nicolas 1. e4-Aufschlag mit 1. ...d5. Skandinavisch! Nun spielte Nicolas sehr ungewöhnlich weiter. Er opferte zunächst einen Zentralbauern, um dann Springer und Läufer durch Bauern angegriffen einfach in dem Angriff stehen zu lassen. Kann das gutgehen? Nein sagt die Engine, aber Nicolas spielte nicht gegen eine Engine, sondern gegen Erik. Hätte Erik etwas stärker fehlgegriffen, ja dann wäre ein schnelles Matt für Nicolas gefolgt. Aber Erik griff nicht wesentlich fehl, schlug keinen Offizier und konsolidierte sich indem er den Mehrbauern zurückgab. Danach verflachte die Partie zu einem remisigen Endspiel und so endete das Spiel mit einem Remis.
„Also ich habe ihm das nicht gezeigt“, stellte Jürgen Wortmann nach dem kreativen Ausflug von Nicolas fest. Nicolas hat nun 1,5 Punkte aus 4 Spielen und fällt mit dem Remis auf Platz 46 von 60 Spielern zurück.
Wetter
Nach den Sturzbächen von gestern Abend war es heute ein freundlicher Tag. Nur es war merklich abgekühlt. Mit nicht angepasster Kleidung war es mir draußen ziemlich kalt.
Runde 5
Nicolas spielte in der 5.Runde mit Schwarz gegen Chenzhuo Gao ( DWZ 1509). Nicolas war ganz leicht favorisiert. Die Beiden spielten locker los. Nicolas spiegelte im Zukertort – Colle System zunächst die Züge seines Gegners. Dabei trafen sich immer mehr Figuren im Brettzentrum. Nicolas spielte bei blockiertem Zentrum den Turm auf die h-Linie. Der Turm hat dort wenig Spielraum. Das kann ins Auge gehen.
Naja, bevor es zu Augenverletzungen kommen konnte, schlug der Turm locker auf h2 ein. Das war höchst inkorrekt. Damit er seinen Königsangriff Angriff weiterführen konnte, schlug Nicolas danach mit seinem Kamikaze-Turm noch einen gedeckten Springer seines Gegners. Ja, dadurch wurde der gegnerische König freigelegt. Allerdings war das Zentrum durch Bauern geschlossen, keine offenen Diagonalen konnten helfen und Chenzhuo nannte einen vollen Mehrturm sein Eigen. Chenzhuo versuchte die Stellung u.a. mit
Damentausch zu vereinfachen. Wir gaben in Übereinstimmung mit der Analyse-Engine keinen Cent mehr für einen Sieg von Nicolas.
Und dann geschah das Wunder. Zunächst übersah sein Gegner eine Bauernfesselung und verlor zwei Bauern. Das Zentrum öffnete sich und sein Gegner übersah einen
Turmspieß auf seine Dame. Das war die Wende. Nicolas zog sein gewohntes Druckspiel auf und Chenzhuo hatte keine Chance mehr.
Dieses Spiel war das zweite Mal, dass Nicolas nach Trainersicht deutlich zu kreativ unterwegs war. Etwas solideres Spiel wäre auch gut gewesen. Eine verdiente Standpauke für Nicolas war unvermeidlich und hilfreich für die nächste Runde.
Runde 6
Wer gewinnt, bekommt stärkere Gegner. Diese Erfahrung machte auch Nicolas. In der 6. Runde spielte er mit Schwarz gegen den leicht favorisierten Daniel James Chua (DWZ 1743). Ja, das war die zweite Schwarzpartie von Nicolas hintereinander. Das ist nicht schön, kommt aber vor in einem Turnier nach Schweizer System.
In der Partie gegen Daniel kam ein offener Sizilianer aufs Brett. Bald besaß Nicolas einen sogenannten "Isolani", der stark im Mittelspiel, aber schwach im Endspiel sein kann. Daniel machte sich sofort daran, den Isolani zu belagern. Schließlich schlug er ihn. Nicolas hatte aber ein trickreiches Gegenspiel vorbereitet, in dessen Netz sich Daniel verfing.
Als Daniel einen zweiten, ja sogar einen dritten Bauern schlug, brachte Nicolas ein Schein-Turmopfer. Daniel schlug mit seiner Dame zurück und wurde von Nicolas vor die Wahl
gestellt: Damenverlust oder Matt. Daniel wählte den Verlust der Dame. Es war für mich danach erneut faszinierend, mit welcher Präzision Nicolas in offenen Stellungen Vorteile zum Sieg verwertet.
1 2
1) Stellung nach 22. Dxd5 - Nicolas spielte darauf 22. ... Lf3
2) Die Partie lief noch weiter bis zum bitteren Ende nach 50 Zügen: Auf 50. Sf2 setzte Nicolas Matt 50. ... De1#
Nach diesem Sieg war Feiern angesagt. Nicolas ging zum Bolzen in die Turnhalle. Das hatte er sich verdient.
Wetter
Das Winterbergwetter war kühl, aber freundlich. Weiße Wölkchen zogen über den Himmel.
Runde 7
Nicolas Gegner in Runde 7 war Mattis Fels (DWZ 1750). Mattis spielte vor zwei Runden noch in der Spitze und ist nach Niederlagen zurückgefallen. Die aktuelle DWZ von Mattis ist gesunken und nicht mehr so hoch wie die Startrangliste aussagt. Da konnte man sich doch berechtigte Hoffnungen auf Punkte machen. Es kam aber anders. Nach Abspielen der Vorbereitung bereitete Mattis einen Abgriff vor, den Nicolas nicht kommen sah. Ein Zug hätte noch das Debakel verhindern können, aber Nicolas spielte ihn nicht und das Spiel war aus. Es bleib nur noch „Wunden lecken“. Auch bei mir.
Wetter
Das Winterbergwetter war kühl und unfreundlich. Häufig zogen Regenfälle durch das Land. Ein Biker Festival findet auf der Wiese oberhalb des Sternhotels statt. Nachts wellen laute schrille Töne Marke „Hiphop“ (o.s.ä.) gegen die Sternhotelfassade. Beim Spazierengehen muss stets auf Horden von dreckverschmierten Mountainbikern achten. Wir durften beobachten, wie sich die Downhill Fraktion per Seilbahn auf den Berg bringen ließ, um dann talwärts (nach Warten in endlosen Schlangen) zu rasen. Das scheint nicht ungefährlich zu sein, denn mehrere Krankenwagen und zwei ADAC Hubschrauber transportierten wohl Verletzte ab.
Runde 8
Unter den geschilderten Umständen haben wir versucht, Nicolas frisch und ausgeschlafen ans Brett zu bekommen. Ich zweifle daran, dass dies gelungen ist. Mit Wünschen wie „solide spielen“ und „gut und ausreichend überlegen“ setzte sich Nicolas mit Weiß ans Brett gegen Robin Schulz (DWZ 1782). Erneut kam Caro-Kann auf das Holz, aus dem die 64 Felder sind..
Kaum war die frühe Eröffnungsphase vorbei, da opferte Nicolas los. Diesmal einen ganzen Turm gegen zwei Bauern. Ja, auch ein gegnerischer Turm war darüber hinaus noch gefesselt. Das war es aber auch an Kompensation. Robin bekam vielmehr aktives Spiel und in kurzer Zeit war die Partie aus. Sein Gegner musste sich erneut nicht für seinen Sieg anstrengen. „Ich hatte nicht mit dem Damenzug nach De7 gerechnet“, meinte Nicolas. Ja, was soll man dazu sagen?
Wetter
Das Winterbergwetter war traumhaft schön. Angenehm temperiert und freundliche Wolkenformationen zierten den Himmel.
Runde 9
Runde 9 sollte die Schadensbegrenzungsrunde gegen Tobias Hagn (DWZ 1613) sein. Als ich leicht verspätet zum Rundenbeginn im Spielsaal erschien, saß Nicolas bereits am Brett und hatte angesichts meiner nur geringen Verspätung beachtlich wenige Steine auf seinem Brett. Sein Gegner hatte die Eröffnung misshandelt und Nicolas hatte einen soliden Mehrbauern, ich machte mir deshalb keine Sorgen.
Aber Nicolas hatte mal wieder seinen Schnellzugmodus eingeschaltet und er sah zudem gar nicht frisch aus. Rote Augen und roter Kopf deuteten darauf hin, dass er erneut total übermüdet war. Nach kurzer Zeit landeten die beiden Schachspieler in einem Endspiel. Die Damen waren vom Brett, aber Schwarz und Weiß hatten noch Entwicklungsarbeit zu leisten. Beim Kampf um die Initiative geriet Nicolas (mit Mehrbauer) bald ins Hintertreffen. Er entschied sich nämlich zur Entwicklung seines Läufers für ein Fianchetto und das kostet ein Mehrtempo. OK! Der Gegner hat nun die Initiative, aber der Mehrbauer zählt und mit ungleichfarbigen Läufern sollte ein Spielverlust kaum möglich sein.
Zunächst schenkte Nicolas seinem Gegner erst einmal das Motiv Grundreihenmatt. Danach musste er bei jedem Zug auf diese Gefahr achten. Aber kein Problem! Sein Turm bewacht ja die Grundreihe. Aber nein! Mit dem Turm kann man ja auch Schach bieten und den gegnerischen König zwingen sich besser zu stellen. Gesagt getan. Klar, eine Engine wie Stockfish kann das so spielen, aber Menschen machen Fehler. Und die Fehler kamen. Der schale Pfad zum Remis wurde mit jedem Zug enger – bis er verschwand. Nicolas hatte erneut seinem Gegner einen bequemen Sieg geschenkt.
Ein Schema wiederholt sich leider: Am Ende jeder DEM platzierte Nicolas sich hinter Gegnern, die er vorher geschlagen hatte. Aus den gewählten Formulierungen ist zu erkennen, wie frustrierend die Meisterschaft für den Berichterstatter verlief. Jetzt heißt es erst einmal Abstand gewinnen.
ENDERGEBNIS
Mit 3,5 Punkten aus 9 Runden erreichte Nicaolas Rang 44 von 60 Teilnehmern: Endtabelle
Rundenübersicht
1. Runde Ming Sheng - Nicolas Wagner 1:0
2. Runde Nicolas Wagener - Alexander Rinke 1:0
3. Runde Eduard Rau - Nicolas Wagener 1:0
4. Runde Nicolas Wagener - Erik Heitmann 0,5:0,5
5. Runde Chenzhuo Gao - Nicolas Wagener 0:1
6. Runde Daniel James Chua - Nicolas Wagener 0:1
7. Runde Nicolas Wagener - Mattis Fels 0:1
8. Runde Nicolas Wagener - Robin Schulz 0:1
9. Runde Tobias Hagn - Nicolas Wagener 1:0